Ratgeber
Hilfe, meine Katze ist inkontinent/gelähmt!
Gemeint ist unkontrollierter Harn- und/oder Kotabsatz!
Wir reden hier nicht von Unsauberkeit, die auch häufig vorkommt (Harnmarkieren) und oft psychische Ursachen hat, sondern von Inkontinenz nach einem Trauma der Wirbelsäule und des Rückenmarks. Selten gibt es auch angeborene Missbildungen die Inkontinenz als Folge haben können.
Mit diesem Handout möchte ich euch einen groben Überblick über die Problematik der „Handicats“ geben, dies ersetzt aber keine gründliche tierärztliche Abklärung.
Obwohl Katzen sehr zäh sind, passiert schnell auch mal ein Unglück. Autounfall und Fenstersturz bzw. Sturz aus großer Höhe und damit verbundenem Wirbelsäulentrauma sind die Hauptursache von Nervenverletzungen. Leider sind für die Blasenfunktion sehr viele unterschiedliche Nerven zuständig, die alle mit dem Rückenmark in Verbindung stehen. Daher kommt es nach einem Trauma häufig zu Problemen beim Harn- und Kotabsatz.
Sehr oft liegen auch Beckenbrüche vor, die aber chirurgisch behandelt werden können. Das muss nicht in jedem Fall Harn- und Kotabsatzprobleme verursachen.
Ein Wort unserer Tierärztin vorneweg:
Es ist nur mit aufwändigen Methoden wie MRT oder Kontrastmittel-CT möglich Nerven tatsächlich darzustellen. Im Röntgen kann oft ein Wirbelbruch oder eine Stufenbildung bzw. Verengung zwischen den Wirbelkörpern Hinweis auf eine Rückenmarksschädigung geben. Letztendlich wird die Diagnose oft nur anhand von Symptomen und neurologischer Untersuchung gestellt. Jede Katze mit Trauma wird in der Regel beim Haustierarzt untersucht. Es werden Röntgenbilder gemacht und Schmerzmittel verabreicht. Nach 1 Tag weiß man meist, ob die Katze wieder gehen kann bzw. ob Brüche o.ä. vorliegen und ob innere Verletzungen vorliegen.
Nach 3 Tagen kann man dann auch das Ausmaß der Blasenbeteiligung abschätzen. Viele Tierärzte werden nach alten Maßstäben dazu raten, eine dauerhaft inkontinente Katze einzuschläfern und eine gelähmte und inkontinente sowieso!!
Unser Appell – bitte gebt eurer Katze etwas Zeit, überstürzt eine lebensentscheidene Antwort nicht. Informiert euch! Holt eine 2. Meinung von einem anderen Tierarzt/Tierklinik ein. Lasst euch nicht drängen. Manchmal kommt es auch zu einer vollständigen Heilung, wenn man dem Ganzen ein paar Wochen Zeit gibt. Nerven können sich auch regenerieren! Aber – es ist natürlich sehr aufwändig, eine Handicat auf Dauer gut zu betreuen. Lasst euch helfen und holt rechtzeitig Rat ein!
Das tut ihr vermutlich gerade und seid deshalb auf unserer Seite gelandet. Gut so 🙂
- Rückenmarksverletzungen
Je nach Lokalisation kommt es zu unterschiedlichen Folgen der Verletzung. Im besten Fall besteht „nur eine Inkontinenz“ im schlimmsten Fall kommt es zu Lähmungen der Extremitäten mit diversen Ausprägungen.
Hier ein kleiner Überblick zu den Arten des Rückenmarktraumas und der daraus resultierenden Harnblasenproblematik
- Die Rückenmarksverletzung liegt in Höhe der Brustwirbelsäule oder in der Lendenwirbelsäule
Die Blase kann nicht mehr willkürlich entleert werden, Blasenhals schließt reflektorisch. Hier gibt es oft Schwierigkeiten, die Blase zu entleeren, meist ist ein Katheter initial nötig. Bei diesen Tieren tröpfelt der Harn bei max. Dehnung der Blase aus der Harnröhre. Was auch oft als Harnabsatz gedeutet wird. Durch diese Überfülle wird der Blasenmuskel irreversibel geschädigt und es besteht keine Aussicht auf Heilung mehr. Oft entsteht nach 1-2 Wochen eine Reflexblase, dh die Katze kann mit Hilfe Harn absetzen und entspannt den Blasenschließmuskel. Hier können auch spezielle Medikamente noch zum Einsatz kommen. - Läsion des Rückenmarks liegt im Becken/Schwanzbereich (Stichwort Schwanzabriss) - dann ist die Blase atonisch, also weich und lässt sich leicht ausdrücken, der Blasenschließmuskel ist entspannt und kann willkürlich nicht mehr angespannt werden – der Harn muss mechanisch ausmassiert werden, damit kein Restharn darin verbleibt. Hier folgt der Harn der Schwerkraft und dementsprechend verliert die Katze diesen im Schlaf, beim Aufstehen und Aufrichten oder beim Hochheben. Das Wort „Schwanzabriss“ bezieht sich auf Abriss der Nerven durch kurzen, heftigen Zug am Schwanz, wie er oft traumatisch passiert. Der Schwanz ist dann oft gelähmt und gefühllos. Hier muss man auch darauf achten, dass keine Verletzungen am Schwanz entstehen, die das Tier nicht spürt, aber sich trotzdem infizieren können. Diese Katzen gehen und stehen meist ohne Probleme, haben aber eine sogenannte Überlaufblase.
In beiden Fällen:
Je nach Ausmaß der Rückenmarksverletzung und dem betroffenen Bereich kommt es leider oft zu einer vollständigen oder unvollständigen Lähmung der Gliedmaßen. Selten nach einer Verletzung im Halswirbelbereich kann auch der ganze Körper spastisch (also gestreckte Gliedmaßen) oder schlaff gelähmt sein. Die Tiefensensibilität bleibt oft erhaltend, die betroffenen Katzen können aber nicht mehr eigenständig laufen und schleifen meist das Hinterteil nach.
Für eine Prognose bezüglich der Blasenfunktion kann der sog. Perinealreflex herangezogen werden. Hier wird die Analregion mit einen Wattestäbchen zart betupft und die normale Reaktion darauf ist eine Kontraktion des Schließmuskels. Ist dieser vorhanden, stehen die Chancen ca. bei 50%, dass sich innerhalb einiger Wochen die Nerven regenerieren. Bei fehlendem Reflex ist die Prognose nicht gut.
Daher kann auch oft der Kot nicht mehr bewusst abgesetzt werden bzw. wird er dann fallweise verloren. Manchmal muss man da auch nachhelfen, aber da der Kot ja quasi von vorne bis hinten immer weitergeschoben wird, haben wir hier eher selten Probleme, sofern nicht ein Hindernis wie zum Beispiel ein verschobenes Becken mechanisch den Weg behindert.
Jeder liebt sein Tier und möchte nun das richtige machen. Zunächst muss man aber auch seine Grenzen kennen lernen und wirklich überlegen, ob ich den Anforderungen einer gelähmten/inkontinenten Katze gerecht werden kann.
2. Windeln
Hier möchte ich noch einmal kurz auf das Thema Windel eingehen.
Wir bei den Handicats haben oft gesehen, was das Tragen einer Windel bei der Katze anrichten kann. Der scharfe Harn und der Kot reizen die Haut und der gesamte Anogenitalbereich wird offen und entzündet. Daher ist das ein NO GO!
Natürlich ist auch die Haltung in einem Käfig o.ä. pure Tierquälerei.
Man muss lernen seiner Katze die Blase richtig auszumassieren und das Hygienemanagement zu optimieren und man braucht Zeit!
3. Ausmassieren der Harnblase
Das Um und Auf ist das fachgerechte und vollständige Ausmassieren der Blase. Durch das Ausmassieren der Blase erleichtert ihr nicht nur eurer Katze das Leben, sondern auch euch. Ist die Blase ausmassiert, verliert die Katze auch keinen Urin. Um keine gesundheitlichen Probleme bei eurer Katze entstehen zu lassen (Blasenentzündung, Nierenbeckenentzündung, Nierenversagen) ist es notwendig die Blase mindestens 2x täglich auszumassieren. Um ein unkontrolliertes Verlieren des Harns zu verhindert, müsst ihr die Harnblase zwischen 4-6 Mal täglich ausmassieren (die Anzahl variiert je nach Katze).
Das Ausmassieren der Harnblase kann JEDER erlernen. Wirklich jeder! Man muss es nur wollen. Wichtig: es ist ganz normal, dass das Ausmassieren nicht sofort klappt – ihr werdet bei mehrmals, täglichem Üben mindestens 3-4 Wochen benötigen, bis ihr die Blase ausmassieren könnt. Daher bitte nicht verzweifeln – es ist Geduld angesagt! Und man erlernt das Ausmassieren der Blase wirklich nur durch ständiges Üben – auch die Katze muss sich daran gewöhnen. Aber gemeinsam könnt ihr es schaffen!
Um mit dem Ausmassieren der Blase starten zu können, müsst ihr euch von eurem Tierarzt bitte zeigen lassen, wo die Blase genau liegt. Leider sind auch oft viele Tierärzte nicht in der Lage eine Harnblase richtig auszumassieren, aber sie können euch auf jeden Fall zeigen, wo genau die Blase bei deiner Katze liegt.
Schon vorweg: Die Blase wird durch die Bauchdecke ertastet. Diese ist kurz vorm Beckeneingang als golfballgroßes bis orangengroßes rundes Gebilde zu spüren. Die Blase ist beweglich und rutscht sehr leicht aus der Hand. Ich nenne die Blase immer liebevoll „Fluffi-Ball“, da sie wie ein Fluffi gerne aus der Hand rutscht. Man kann es auch mit einem kleinen wassergefüllten Luftballon vergleich. Ist die Blase leer, kann man sie kaum ertasten. Ist sie jedoch gefüllt, bläst sie sich durch den Urin darin, auf. Wenn du die Blase mal ertastet hast, versuche sie gut in der Hand zu behalten. Erst wenn du dir sicher bist, dass du die Blase spürst und sie auch gut in der Hand halten kannst, solltest du versuchen sie auszumassieren. Beim Ausmassieren übst du etwas Druck auf die Blase aus und lässt somit den Urin abfließen. Oftmals ist es hilfreich den Druck immer wieder wegzunehmen und wieder anzudrücken, wenn deine Katze dabei unruhig sein sollte.
Wichtig: den Urin in der Blase Richtung Vagina massieren – nicht in die andere Richtung, da ihr hier den Urin in die Nieren drücken würdet.
Ob du deiner Katze die Blase im Liegen oder Stehen ausmassierst oder sie dabei hochhältst, ist ganz egal. Wichtig ist, dass es sowohl für dich als auch für deine Katze die beste Position ist.
Videos zum Ausmassieren der Blase findest du sowohl auf Youtube als auch auf unserer Facebook-Seite unter dem Reiter „Video“ unter www.facebook.com/katzenhoffnung